Die russische Geselligkeit
Der Tee ist in Russland schon seit 1567 bekannt, wird aber erst ab Ende des 17. Jahrhunderts regelmäßig nach Moskau importiert. Fast zwei Jahrhunderte lang bleiben die Bewohner Moskaus die einzigen Teetrinker in Russland. Die Russen nennen sie deswegen auch spöttisch „Teetrinker“ oder „Heißwassertrinker“. Erst ab 1850 bürgert sich der Genuss von Tee im ganzen Imperium und in allen sozialen Schichten ein.
Der Samowar
Der Tee ist in Russland nicht vom Samowar zu trennen, eine Art überdimensionierter, komplizierter Teekessel, in dem mit einer Heizquelle mehrere Liter Wasser auf der richtigen Temperatur gehalten werden können. Er wurde Anfang des 18. Jahrhunderts im Ural erfunden und verbreitet sich erst wirklich mit der Demokratisierung des Tees.
Der Samowar besteht aus einem von unten beheizten Kessel und einer Art Abzugsrohr. Unter dem Kessel wird meist mit Holzkohle ein kleines Feuer gemacht, das den Kessel und das Abzugsrohr erwärmt und das Wasser auf einer konstanten Temperatur hält. Der Samowar ist so gestaltet, dass man hört, wie das Wasser die verschiedenen Erhitzungsstadien durchläuft: zuerst kommt das sogenannte „Singen“, dann das „Rauschen“ und schließlich das „Stürmen“. Wenn das Wasser „rauscht“, ist es fertig.
Ein Ablasshahn dient zum Füllen der Tassen und Teekannen. Die Teekanne, in der ein Teekonzentrat zubereitet wird, wird auf das Abzugsrohr gestellt und so warm gehalten. Jeder gießt eine kleine Menge des Teekonzentrats in seine Tasse und füllt diese anschließend mit heißem Wasser aus dem Samowar auf. Oft gießt man, um den Aufguss etwas abzukühlen, den Inhalt der Tasse in eine Untertasse aus der man dann direkt den Tee trinkt.
In der russischen Gesellschaft ist der Tee sehr präsent und kommt auch in einigen Redewendungen vor: man sagt zum Beispiel „na tchai“, „für den Tee“, wenn man Trinkgeld gibt. Auf sozialer Ebene hat das Versammeln zum Teetrinken verschiedene Bedeutungen: von seiner ursprünglichen Form im engen Familienkreis hat sich dieses Treffen zu einem gesellschaftlichen Akt entwickelt, dessen offizieller und mondäner Charakter das Wohlbefinden und die menschliche Wärme komplett in den Hintergrund treten ließen.
In der heutigen Zeit ist das Teetrinken versammelt um den Samowar ein herzlicher und geselliger Akt, der mit den ursprünglichen Familientreffen vergleichbar ist, die in der Literatur des 19. und des frühen 20. Jahrhunderts oft beschrieben werden. Es ist ein Moment des Teilens, ein gemeinschaftliches Miteinander, bei dem jeder inne hält, um die Wärme des Samowar und die Gegenwart der anderen zu genießen.